Du betrachtest gerade Urbane Verdichtung – Häuserbau auf Schweizer Autobahnen

Bauland ist oftmals rar und teuer in Zürich. Laut des Onlineportals Beobachter.ch des gleichnamigen Naturverlags sollen etwa in Zürich-Nord als Spitzenpreis 5.000 Schweizer Franken pro Quadratmeter fällig gewesen sein. Und nicht alleine in Zürich muss sich jemand, der passendes Land etwa für den Wohnungs-Neubau sucht, etwas einfallen lassen. Da kommen Pläne wie die der renommierten Schweizer Architekten Rolf Schoch und Claude Schelling vielleicht gerade zur rechten Zeit? Sie haben Entwürfe für Siedlungen als Autobahn-Aufbauten entwickelt und könnten so auch dafür sorgen, die Lebensqualität in Autobahnnähe wieder zu steigern.

Die Autobahn mit Deckel von Claude Schelling

Claude Schelling hat für sein Projekt ein 1,2 Kilometer langes Stück Autobahn am Einkaufszentrum Glatt in Wallisellen im Auge. Wallisellen gehört als Gemeinde zum schweizerischen Bezirk Bülach im Kanton Zürich. Schelling möchte das Teilstück der Autobahn mit einem Deckel verschließen. Auf diesem Deckel sollen dann etwa Raum für 1.800 Arbeitsplätze sowie Wohnflächen für 5.500 Menschen in etwa 1.500 Wohnungen entstehen. Insgesamt ist eine Fläche von 108.000 m² geplant. Ausgestattet sein soll diese Siedlung unter anderem mit einem 35.000 m² großen Solarkraftwerk und Wärmepumpen, mit denen die Wärme der auf der überdeckten Autobahn fahrenden Autos genutzt wird. Bisher unbebaute Flächen würden für dieses Projekt kaum genutzt. Lediglich für eine achtzig Meter lange Zufahrtstraße wird zusätzliches Land benötigt. Sehr gering sind die veranschlagten Kosten des Projekts jedoch nicht: Schelling rechnet mit 420 Millionen Franken (ca. 350 Millionen Euro), schreibt Beobachter.ch, die Plattform des Beobachter Buchverlags.

„Forrest Hill“ von Rolf Schoch

Im Team arbeitet Claude Schelling mit Rolf Schoch, der ähnliche Pläne wie er hegt. Sein Projektentwurf nennt sich „Forrest Hill“ und schwebt als Schrägseilbrücke über einer sechsspurigen Autobahn im Norden des Quartiers Länggasse in Bern, in dem sich wichtige Universitätsbauten der Stadt sowie hauptsächlich Wohn-Immobilien befinden. Konkret ist das Projekt auf einem Autobahnstück geplant, das durch den Bremgartenwald führt, einen insgesamt 636 Hektar großen Wald der Stadt Bern, der unter anderem für die Naherholung genutzt wird. Dreißig Meter hoch soll der Aufbau über der Autobahn werden und Platz für 2.000 Arbeitsplätze sowie 1.000 Wohnungen bieten. Vervollständigt wird das Architektenteam, das Autobahnflächen zur Bebauung nutzen möchte, von David Spycher, der die Organisation im Team übernimmt.

Mehrere Vorteile sprechen für die Projekte

Durch Stadtquartiere über Autobahnen könnte Bauland genutzt werden, für das das schweizerische Bundesamt für Straßen nach eigenen Angaben nichts in Rechnung stellen würde. Zugleich würde man kaum bisher unversiegeltes Land versiegeln. Das wäre auch gut so. Laut der Studie „Magnet Schweiz“ des Think-Tanks Avenir Suisse wird derzeit pro Jahr in der Schweiz immerhin eine Fläche neu bebaut, die der Fläche des Walchensees entspricht und damit etwa 16,27 km² umfasst. Nach Meinung von Rolf Schoch kommt hinzu, dass planerisch bei neuen Bauvorhaben in der Schweiz oftmals nicht unbedingt geschickt gehandelt werde. „Die Schweiz ist zersiedelt und zerzaust, die Raumplanung hat vollständig versagt“, wird er auf Beobachter.ch zitiert. Straßen vereinnahmen heute etwa dreißig Prozent der Stadtfläche in der Schweiz, heißt es. Da wirkt es dann vielleicht wirklich wie eine gute Idee, diese Flächen über die bisherige Nutzung hinaus zu nutzen? Autobahnen, die etwa Lärm in die Umgebung tragen, würden dadurch zugleich unsichtbar und nahezu unhörbar. Schellings und Schochs Entwürfe eignen sich nicht alleine für die konkreten Standorte, für die sie geplant wurden, sondern auch für andere. Stadtnähe ist dabei allerdings wohl eine Voraussetzung, da erforderliche Mietpreise fürs Flächen im Projekt anderswo nicht durchzusetzen wären.

Viel Lob, aber auch Widerstand

Schelling soll bei der Werbung für sein Projekt bereits wichtige Freunde gefunden haben. Die elf Wohnbau-Genossenschaften, denen das Projekt präsentiert wurde, haben angeblich ausnahmslos großes Interesse gezeigt. Sie interessieren sich jeweils für die Übernahme von 100 und 150 Wohnungen des Projekts, während eine Genossenschaft gar 250 Wohnungen übernehmen möchte, heißt es auf Beobachter.ch. Ein Grund dafür sei das geringe Neubauland zu erschwinglichen Preisen im Stadtgebiet von Zürich. Zudem sei der veranschlagte Mietpreis für eine Vier-Zimmer-Wohnung mit 2.000 Franken im Vergleich zu 2.400 auf dem freien Wohnungsmarkt der Stadt günstig. Ein möglicher Termin, zu dem die Wohnungen fertig sein könnten, wurde auch genannt: 2022. Ein bisschen Geduld wird man also mitbringen müssen. Widerstand gegen das Projekt scheint es indes auch zu geben. So soll Bernhard Krismer, der Gemeindepräsident von Wallisellen, nicht sehr begeistert sein, weil das Autobahnquartier eigene Pläne gefährden könnte. Fakt ist: Die Idee ist geboren und bereits über den Status der reinen Idee hinausgewachsen. Mal schauen, ob das für eine Realisierung reicht.