Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes BGH dürfte in der Baubranche für Furore sorgen. Der BGH bestätigte damit die Verurteilung eines Bauträgers durch das Oberlandesgericht OLG zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung. Im verhandelten Fall wurde eine Wohnung mehr als zwei Jahre später als ursprünglich geplant fertig gestellt. Daraufhin klagte der Käufer auf Schadenersatz, weil ihm in der fraglichen Zeit kein gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung gestanden hatte.
Der Fall
Anlass zum aktuellen Urteil gab die Klage eines Wohnungskäufers. Es handelte sich um den Kauf einer noch herzustellenden Altbauwohnung mit einer Fläche von 136 Quadratmetern. Die Baufirma hatte sich dem Erwerber gegenüber vertraglich zur Fertigstellung bis zu einem bestimmten Datum verpflichtet. Der Termin verstrich jedoch, ohne dass die Wohnung bezugsfertig gewesen wäre und es gingen noch weitere zwei Jahre ins Land, welche die Eigentümer in ihrer alten Wohnung mit nur 72 Quadratmetern Fläche verbringen mussten. Und genau hier liegt auch der Knackpunkt des Ganzen. Denn weil die alte Mietwohnung nur etwa halb so groß war wie die gekaufte Wohnung mit einer Fläche von 136 Quadratmetern, stand den Bewohnern während des Verzugs kein gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung. Darauf begründete sich dann auch die Klage auf Nutzungsausfallentschädigung. Die Kläger bekamen zunächst vom OLG Schadenersatzleistungen zugebilligt, jetzt hat das BGH das Urteil rechtskräftig bestätigt. Der Bauträger war in Revision gegangen und ist jetzt in der nächsten Instanz gescheitert. Nun muss die Firma also tatsächlich für ihren Verzug zahlen.
Das Urteil
Die in Verzug geratene Baufirma muss einerseits die Miete der Käufer für die weiterhin genutzte vorherige Wohnung bezahlen. Diese Zahlungen werden aber auf den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung angerechnet. Die geforderten Schadenersatzleistungen wurden vom Gericht anhand einer angenommenen Vergleichsmiete für die vorenthaltene Wohnung kalkuliert, ein Abschlag in Höhe von 30 Prozent für den Vermietergewinn wurde dem Bauträger dabei eingeräumt. Das Urteil wurde mit dem Anspruch auf gleichwertigen Wohnraum begründet, der von Gesetzes wegen besteht, wenn sich beim Kauf einer noch herzustellenden Wohnung die Fertigstellung erheblich verzögert. Bisher wurde die Verzugsschadenberechnung von den Gerichten in solchen Fällen auf die Mietzahlungen begrenzt, die ein Käufer leisten muss, wenn seine erworbene Wohnung nicht rechtzeitig bezugsfertig ist und ihm dadurch länger als angenommen vorenthalten wird. In ihrem aktuellen Spruch gingen die Richter des BGH aber zum ersten Mal über diese Art der Schadensberechnung hinaus. Das Gericht gewährte dem Kläger nämlich zusätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz in Form eines merkantilen Minderwertes für die fehlende Nutzung der zu beziehenden Wohnung. Der Baurechtsexperte Thies Boelsen von der Kanzlei Rödl Stoll Schulte in Hamburg sieht nach diesem Urteilsspruch weitreichende Folgen auf säumige Baufirmen zukommen. In Zukunft könne es bei Verzögerungen für diese richtig teuer werden, meint der Experte. Boelsen führt weiter aus, dass sich das aktuelle Urteil künftig auch disziplinierend auf den Baufortschritt auswirken dürfte. Dieser Nebeneffekt wiederum dürfte von den Richtern durchaus beabsichtigt gewesen sein.
Die Folgen
Wenn Baurechtsexperte Boelsen sagt, dass es für säumige Baufirmen in Zukunft richtig teuer werden kann, sieht er wohl schon die künftigen Schadenersatzklagen vor sich, welche die Gerichte nun mit Sicherheit vermehrt beschäftigen werden. Denn die Karlsruher Zivilrichter haben mit ihrem Urteil neue Maßstäbe gesetzt. Das Vorenthalten von Wohnraum durch Bauverzögerung hat demnach einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung durch den Bauträger zur Folge. Wer künftig zu spät fertig baut, wird sich also schneller mit Schadenersatzansprüchen auseinander setzen müssen. Ein Urteil, das in der Baubranche wohl viel Staub aufwirbeln wird. Denn die Käufer werden sich künftig nicht mehr lange gedulden wollen, wenn es zum zeitlichen Verzug bei der Fertigstellung von Bauobjekten kommt. Der Weg zum Gericht wird ihnen von nun an wesentlich leichter fallen. Und die Baufirmen müssen sich auf Kunden einstellen, die schneller bereit sind zu klagen, weil sie das Recht auf ihrer Seite wissen.