Bis zum Jahr 2050 sollen alle Immobilien Deutschlands klimaneutral werden. So plant es zumindest die Bundesregierung mit ihrem aktuellen Entwurf zum Energiekonzept. Ehrgeizige Pläne des Bundes sind hier vielleicht durchaus begrüßenswert, die jetzt angekündigten Ziele stoßen dennoch nicht überall auf Zustimmung: Sowohl die Bundesvereinigung „Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft“ als auch der „Deutsche Mieterbund“ kritisieren die Pläne. Schießt die Bundesregierung übers Ziel hinaus?
Warum Energie sparen bei Immobilien so wichtig ist
Man spricht von einem klimaneutralen Haus, wenn Gase wie Kohlendioxid nur in dem Maße ausgestoßen werden, wie sie zuvor eingespart wurden. Um das Ziel des Bundes zu erreichen, müssen nicht nur Neubauten klimaneutral gebaut werden, auch die Sanierung von bestehenden Bauten wird zur Pflicht. Als Maßnahme für den Klimaschutz klingt das wie ein guter Ansatz. Laut Angabe des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) sind Immobilien immerhin für vierzig Prozent der verbrauchten Endenergie in Deutschland verantwortlich. Hier muss angesetzt werden, um den Energieverbrauch in Deutschland zu senken.
Was im Entwurf des Energiekonzepts steht
Energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen heißt der Punkt „E“ im aktuellen Entwurf des Energiekonzepts vom Bund mit insgesamt neun Punkten für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung. Der Entwurf stammt vom siebten September 2010 und wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit entwickelt. Bis zum Jahr 2020, so heißt es dort, soll der Wärmebedarf von Immobilien um zwanzig Prozent reduziert werden, bis zum Jahr 2050 um achtzig Prozent. Festgeschrieben werden soll der Standard „Nullemission“ bei der Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Jahr 2012. Die Bundesregierung wird daneben einen langfristigen Sanierungsfahrplan für Immobilieneigentümer entwickeln. Er soll 2020 mit relativ moderaten Auflagen für Hausbesitzer starten und nur für Menschen mit besonders schlecht gedämmten Häusern bereits zu diesem Zeitpunkt zu Sanierungsmaßnahmen zwingen. Schrittweise sollen die Anforderungen dann bis zum Jahr 2050 angehoben werden.
Fordern und fördern
Was plant der Bund konkret? Schauen wir uns einige der Pläne an. Der Bund stattet das CO2-Gebäudesanierungsprogramm laut Energiekonzept finanziell in Zukunft besser aus. Das Marktanreizprogramm zur Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien im Gebäudebestand stockt er um 200 Millionen Euro pro Jahr auf. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau wird das neue kommunale Förderprogramm „Energetische Städtebausanierung“ etabliert. Steuerlich wird es auch Veränderungen geben: Diejenigen Hausbesitzer, die gesetzliche Vorgaben frühzeitig erfüllen, sollen steuerlich belohnt werden. Wer Auflagen zu spät befolgt, wird höhere Steuern zahlen müssen. Zudem plant der Bund eine innovationsfreundlichere Gestaltung des Mietrechts.
BSI kritisiert unrealistische Ziele
Die Kritik auf die Immobilien betreffenden Aussagen des Konzeptentwurfs kam prompt: Das „Energiekonzept von BMWI und BMU setzt Ziele, ohne die Wege ausreichend zu gestalten“ schrieb etwa die Bundesvereinigung „Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft“ in einer Mitteilung vom siebten September 2010. Grundsätzlich, so heißt es in der Mitteilung, trage die Vereinigung die Ansätze aus dem Entwurf zwar mit und begrüße sie. Aber die BSI hält das Ziel eines nahezu vollständig klimaneutralen Gebäudebestands im Jahr 2050 für nicht realistisch. Aus Sicht der Vereinigung könne nicht jedes Gebäude klimaneutral saniert werden und nicht jeder Mieter könne höhere Mieten aufgrund einer klimaneutralen Sanierung eines Gebäudes tragen. Der Bund habe zwar versucht, durch seinen langfristigen Sanierungsfahrplan finanzielle Belastungen für Hausbesitzer abzufedern, indem er ihnen Zeit gibt, sich finanziell auf sie einzustellen. Dadurch würden aus Sicht der Bundesvereinigung Probleme aber nicht gelöst. Verpflichtungen zu unwirtschaftlichen Sanierungen, so der BSI, würden zudem „eigentumsrechtliche Fragen“ aufwerfen. Die Grundfrage dabei: Darf ein Hausbesitzer zu Maßnahmen gezwungen werden, die sich bei seiner Immobilie wirtschaftlich eigentlich nicht rechnen? Der BSI geht von benötigten Fördermitteln in Höhe von fünf Milliarden Euro pro Jahr aus, um alleine die Bundesziele zu realisieren, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollen.
Auch der Mieterbund übt Kritik
Auch vom Mieterbund kam Kritik: Ohne eine umfassende öffentliche Förderung sei die Sanierung der Wohnungsbestände unrealistisch, schreibt er ebenfalls in einer Mitteilung vom siebten September. Nun wurden steigende Fördergelder ja im Entwurf des Energiekonzepts angekündigt. Beide Verbände, Mieterschutzbund und BSI, werfen jedoch ein, dass die Bundesregierung die Fördermittel zuletzt aufgrund des Sparpakets zusammengestrichen habe. Von zuletzt einer Milliarde Euro seien die Förderungen auf 450 Millionen gesunken, schreibt der Deutsche Mieterbund. Er moniert zudem die angekündigten Änderungen des Mietrechts und warnt vor weiteren Belastungen der Mieter. Zudem nennt der Mieterbund konkrete Zahlen, die aus seiner Sicht für eine Förderung nötig sind: zwei Milliarden Euro pro Jahr für die CO2-Gebäudesanierung, 500 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm und 250 Millionen Euro für kommunale Projekte in bestimmten Sanierungsgebieten.
Woher kommt das Geld?
Es liegt in der Natur der beiden Verbände, ihre Klientel schützen zu wollen. Frage wird sein, ob Mietern und Vermietern tatsächlich nur finanziell tragbare Auflagen gemacht werden. Die Ansagen im Energiekonzept folgen dem Prinzip „fordern und fördern“ und das „fördern“ ist dabei wohl ebenso wichtig wie das „fordern“. Angesichts jüngster Sparpakete ist es allerdings eine weitere Frage, ob das mit dem „Fördern“ wirklich wie geplant funktionieren wird. Und falls ja, woher wird das Geld kommen, welcher Bundesetat muss eventuell dafür Kürzungen in Kauf nehmen? Die Ziele des Bundes sind ehrgeizig. Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass diese Ziele unrealisierbar sind. Aber die Frage „Woher kommt das Geld?“ ist insbesondere angesichts jüngster Sparzwänge des Bundes berechtigt und Antworten sollten vorab geliefert werden. Ansonsten gibt es ein Fordern ohne ein ausreichendes „Fördern“ und es wird zweifelhaft bleiben, ob Mieter und Vermieter ihren Teil zum Erreichen des Ziels beitragen können. Ein Entwurf ist erst einmal nur ein Entwurf. Aber frühzeitige Diskussionen sind wichtig, um aus dem Entwurf eine gute endgültige Fassung zu machen.