Bereits im Jahr 2007 bezeichnete das Magazin Spiegel die Baubranche in seiner Onlineausgabe als einen der größten Gewinner des Klimawandels. Anstehende Sanierungen und das Ausbessern von Schäden durch extremes Wetter seien die Ursache dafür. Im Interview mit dem Architekturportal Detail.de geht Klaus Sedlbauer, der Vorsitzende der „Fraunhofer-Allianz Bau“ aber noch einen Schritt weiter. Er sieht im Klimawandel einen Motor der Innovation in der gesamten Branche. Der Ruf nach Nachhaltigkeit scheint durch die gesamte Branche zu hallen.
Ein Manifest der Vernunft
Seit dem 27 März 2009 ist das Manifest „Vernunft für die Welt“ online (www.klima-manifest.de). Es dient als Aufruf von Architekten, Ingenieuren und Stadtplanern für eine zukunftsfähige Architektur und Ingenieurbaukunst. Dort wird etwa die zukunftsfähige Stadt gefordert, die beispielsweise „durch eine sinnvolle Verdichtung Flächen schont und dem demographischen Wandel gerecht wird“, oder Ressourcen schonende Architektur und Ingenieurbaukunst, die „überwiegend auf regionalen Materialien basieren, um unnötige Transportwege für den oft überflüssigen Import zu vermeiden“. Initiatoren des Manifests sind große Verbände der Baubranche: etwa der Bund Deutscher Architekten sowie die Bundesarchitektenkammer. Die Liste der Unterzeichner des Manifests ist inzwischen ziemlich lang geworden. Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ökologisches Bauen: Mittlerweile sind es wohl nicht mehr sehr viele Akteure der Baubranche, denen solche Wörter fremd sind. Die einen lernen sie aufgrund eines wachsenden ökologischen Bewusstseins. Die anderen treibt die Chance auf ein gutes Geschäft.
Engagement und ein gutes Geschäft
Mit einer gehörigen Portion Zynismus könnte man sagen, die Baubranche kann dem Klimawandel dankbar sein. Vielleicht bedarf es aber auch nur eines wertfreien Blicks auf die Realität? DB Research der Deutschen Bank veröffentlichte etwa im November 2009 das Themenpapier „Geothermie – Bauwirtschaft gewinnt wegen Klimawandel und Energieknappheit“. Durch den wachsenden Einsatz der Geothermie zur Energieversorgung von Immobilien wie Eigenheimen, Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten soll das kumulierte Bauvolumen bis 2030 auf eine Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro ansteigen. Das ist nicht gerade wenig. Klaus Sedlbauer vom „Fraunhofer-Allianz Bau spricht im Interview mit Detail.de von der Baubranche als Schlüsselbranche im Kampf gegen den Klimawandel. Architekten entwerfen „hochmoderne nachhaltige Gebäude“. Forscher arbeiten weiterhin an Plusenergiehäusern. Und große Baukonzerne konzipieren, so Sedlbauer, neue „Modelle zur betrieblichen Steuerung von Baustellen“. Die Ampeln im Bauwesen auf „Grün“ umzustellen, dürfte einem der größten Energiefresser — den Immobilien — neue Qualitäten beibringen. Und das wäre wohl auch für die Baubranche gut.
Bestenfalls eine Win/Win-Situation – für die Branche und für die Umwelt
Mag der Klimawandel auch für die Baubranche einen positiven Aspekt besitzen, etwas Positives ist er sicherlich nicht. Laut Greenpeace stieg die weltweite Durchschnittstemperatur in den letzten einhundert Jahren um etwa 0,74 Grad Celsius. Bis zum Jahr 2100 könnte diese Temperatur nach Ansicht von UN-Forschern mit verheerenden Folgen um bis zu 6,4 Grad Celsius weiter steigen, fährt Greenpeace fort. Die Freude darüber, dass die Baubranche einen neuen Wachstumsmotor gefunden hat, dürfte durch solche Szenarien deutlich gedämpft werden. Sollte die Branche es jedoch durch ihre Anstrengung schaffen, den Klimawandel abzuschwächen, gäbe es doppelt Grund zum feiern. Und das… wäre irgendwie schön!