Wundert sich noch irgendwer, dass München im aktuellen F+B-Wohn-Index Deutschland für das erste Quartal 2012 bei den Neuvertragsmieten teuerster Standort Deutschlands ist? Für zehn Jahre alte und 75 m² große Wohnungen zahlt man dort durchschnittlich 12,10 Euro pro m². Nein, das verwundert wohl die wenigsten. Interessanter ist deshalb eventuell einmal ein Blick auf das andere Ende der Skala. Hier liegt Staßfurt auf Rang 504 der 504 deutschen Städte mit über 25.000 Einwohnern. Durchschnittlich 4,10 Euro zahlt man in Staßfurt als Mieter für den Quadratmeter. Was ist das für ein Ort, an dem man als Mieter so preisgünstig wohnt?
Ein Vergleich der Extreme
Die Unterschiede zwischen München und Staßfurt sind extrem. Rechnet man den durchschnittlichen Quadratmeter-Mietpreis Münchens von 12,10 Euro einmal auf 75 Quadratmeter um, ergibt sich ein Wert von 907,5 Euro. In Staßfurt kommt man dagegen nur auf 307,50 Euro. Das mag einerseits daran liegen, dass man Staßfurt selbst bei Wohlwollen nicht als Metropole bezeichnen kann. Aber auch im Vergleich zu anderen kleinen Städten ist Staßfurt preisgünstig. Warum? Widmen wir uns zunächst den Fakten: Staßfurt liegt im Salzlandkreis von Sachsen-Anhalt und hat etwa 29.000 Einwohner. Angrenzende Städte sind Aschersleben, Bernburg und Schönebeck, Magdeburg ist etwa vierzig und Halle an der Saale etwa achtzig Kilometer entfernt. Staßfurt ist ein Beispiel für jene Städte, die mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen haben und war eins der Themen bei der Internationalen Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt im Jahr 2010.
Bevölkerungsschwund und niedrige Mietpreise
Das mittlerweile aufgelöste IBA-Büro GbR als Initiator der Ausstellung berichtet von 41.325 Einwohnern der Stadt im Jahr 1989. Ehemalige DDR-Betriebe in der Fernsehtechnik und im Chemieanlagenbau seien in der Folgezeit geschlossen oder rapide verkleinert worden und vor allem junge Leute würden Staßfurt verlassen, heißt es. Das verwundert angesichts einer Arbeitslosenquote im April 2012 von 13,4 Prozent nur wenig (Bundesdurchschnitt: 7 Prozent). Glaubt man den 2011 in Staßfurt präsentierten Zahlen der Sachsen-Anhaltinischen Landesentwicklungsgesellschaft (Saleg), wird sich die Bevölkerung der Kernstadt Staßfurt (ohne Ortsteile) weiter reduzieren. Eine optimistische Prognose geht von einem Rückgang von 13 Prozent bis 2025 aus, während die pessimistische Variante bis zu 42 Prozent prognostiziert, ausgehend vom Stand 2008. Wo Menschen abwandern, sinkt die Nachfrage nach Wohnraum und die Attraktivität des Standorts für Einzelhändler sinkt. So etwas wird schnell in Mietpreisen erkennbar. Staßfurt selbst gibt als Spanne bei Mieten für Wohnraum laut „Grundstücksmarktbericht Sachsen-Anhalt 2012“ zwei bis sieben Euro pro m²“ an. Für Büroflächen seien drei bis sieben Euro pro m² zu zahlen. Ladenflächen bis 100 m² kosten in Staßfurt zur Miete vier bis dreißig, Ladenflächen ab 100 m² zwei bis zwanzig Euro pro m².
Staßfurts Kampf um die Zukunft
Staßfurt muss kämpfen, um sich seine Zukunft zu sichern. Einerseits hat es Eingemeindungen gegeben, die den Bevölkerungsschwund zumindest verlangsamt haben. 2009 wurde etwa die Gemeinde Förderstadt eingemeindet, die zuvor selbst Gemeinden wie Atzendorf oder Brumby geschluckt hat. Zugleich bemüht sich Staßfurt um neue wirtschaftliche Impulse. Zwischen 2008 und 2011 seien in Staßfurt mit Hilfe von Förderungen 28 Firmen angesiedelt oder erweitert worden, wobei das gesamte Investitionsvolumen 36,9 Millionen Euro betragen habe. Mit dieser Aussage wird Staßfurts Wirtschaftsförderer Christian Schüler in der Zeitung „Volksstimme“ vom 24. Mai 2012 zitiert. 147 Arbeitsplätze wurden geschaffen, weitere 1234 gesichert, fährt er fort. Das klingt gut. Aber ist es gut genug?
Mieter, auf nach Staßfurt?
Preisgünstiger als in Staßfurt scheint man in Deutschland derzeit nicht zur Miete wohnen zu können. Wer wenig an einen bestimmten Standort gebunden ist, könnte daher durchaus überlegen, ob nicht ein Standortwechsel die Mietkosten deutlich reduziert. Staßfurt wäre da ein mögliches Ziel und würde sich mit Sicherheit über Zuwachs freuen. Allerdings bleibt der Stadt viel zu tun, um Neubürgern ebenso wie Alteingesessenen berufliche Chancen und damit wirtschaftliche Perspektiven zu bieten. Wer hier Arbeit findet, hat dank niedriger Mietpreise mehr von seinem Geld. Aber man muss erst einmal Arbeit finden, ohne dass der Weg zum Arbeitsplatz zur täglichen Odyssee wird.