Das Unternehmen Hochtief hat jüngst umfangreiche Verkäufe angekündigt, um sich so im Abwehrkampf gegen eine Übernahme durch den spanischen ACS-Konzern zu stärken. Möglicherweise ist eine Übernahme aber auch dadurch nicht mehr zu verhindern. Handelt es sich hier alleine um die Krise eines einzelnen Konzerns oder steckt mehr dahinter? Die Studie „Die deutschen Bauunternehmen – kein Hang zur Größe“ von der Berliner Beuth Hochschule für Technik und dem ifo-Institut für Wirtschaftsforschung aus München lässt Letzteres vermuten.
Die deutsche Baubranche – nicht alles, was gut klingt, ist gut!
Keine Frage: Die Baubranche hat im Wirtschaftsleben Deutschlands eine wichtige Bedeutung. 2009 betrug der Anteil von Bauinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt knapp zehn Prozent. Die Höhe der von den zehn größten Bauunternehmen erbrachten Jahresbauleistung ist innerhalb von knapp zwanzig Jahren deutlich gestiegen: Während sie 1999 noch bei etwa 1,7 Milliarden Euro lag, erreichte sie 2008 den Wert von knapp 4,8 Milliarden Euro und damit eine Steigerung von ungefähr 180 Prozent. Klingt doch alles gut! Ganz so gut ist es dann vielleicht aber doch nicht, wie eingangs erwähnte Studie vor Augen führt. Immerhin handelt es sich um einen Betrachtungszeitraum von fast zwanzig Jahren, in den man auch die durchschnittliche Preisentwicklung einkalkulieren muss. Und wenn man die beiden 2008 größten Unternehmen Hochtief AG und Bilfinger Berger AG einmal ausklammert, so bleibt in den knapp zwanzig Jahren nur noch ein Wachstum der Jahresbauleistung von dreißig Prozent übrig.
Eine Boom und eine danach folgende Flaute
Die Baubranche hatte ihre Boomphase nach der Wiedervereinigung mit einem Rekord der Bauinvestitionen 1995 in Höhe von 259 Milliarden Euro. Danach begann eine Abwärtsbewegung, durch die die Bauinvestitionen etwa 2005 nur noch bei 75 Prozent der Investitionen zehn Jahre zuvor ausmachten. Für Bauunternehmen in Deutschland wurde es schwieriger, gute Geschäfte zu machen, was auch an einem Preiskampf lag. Laut Studie stiegen die Preise im Bau von Wohngebäuden zwischen 1992 und 2009 nur um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr, wobei sie sich zwischen 1996 und 2005 so gut wie gar nicht bewegt haben. Für Unternehmen sind das keine guten Voraussetzungen für Gewinne.
Ein Markt in Bewegung
Die Unternehmen reagierten verschieden auf diese Entwicklung: Sie versuchten, durch Übernahmen zu wachsen, ihr Angebotsportfolio zu ergänzen, sich verstärkt auf Auslandsmärkten zu tummeln und/oder sie stiegen in einen Preiskampf ein, um Konkurrenten vom Markt zu drängen und die Preise danach wieder ansteigen zu lassen. Auch einige große Bauunternehmen blieben auf der Strecke, so die Philipp Holzmann AG oder die Walter Bau AG. Auffällig ist, wie wenig die Tabellen der zehn größten Bauunternehmen Deutschlands aus den Jahren 1990 und 2008 in der Studie übereinstimmen. 1990 standen neben Philipp Holzmann auch Unternehmen wie die Dywidag AG auf der Liste, während 2008 Unternehmen wie Max Boegl auftauchen, die 1990 noch nicht in der Liste existierten. Das spricht nicht unbedingt für Kontinuität auf dem deutschen Markt.
Fehlt der Hang zur Größe?
Noch eins ist auffällig bei der Marktschau und wird von den Autoren der Studie hervorgehoben. Die deutsche Baubranche ist vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt. Diese Tendenz hat sich seit 1990 verstärkt. Während 1990 insgesamt 0,25 Prozent aller Unternehmen im Bauhauptgewerbe fünfhundert oder mehr Mitarbeiter besaßen, waren es 2008 nur noch 0,03 Prozent. Zu den zehn größten Bauunternehmen in Europa gehören mit Bilfinger Berger und Hochtief laut Deloitte LLP – Studie zwei deutsche Unternehmen. Die beiden Unternehmen sind jedoch in den Top-50 die einzigen deutschen Vertreter, während beispielsweise dreizehn britische Bauunternehmen, sieben aus den Niederlanden und sechs aus Spanien zu dieser Gruppe gehören. Sollte Hochtief wirklich übernommen werden, bliebe nur noch ein unabhängiges deutsches Bauunternehmen in den Top-50 übrig. „Haben deutsche Baufirmen einfach keinen Hang zur Größe?“ fragt die Studie zum Abschluss und die Frage scheint irgendwie berechtigt. Wohin steuert die deutsche Baubranche?